PocketBooks neuer E-Book-Reader PB Touch 622 ist seit einigen Wochen im Handel. Ich hatte die Gelegenheit, PocketBooks ersten E-Book-Reader mit E-Ink-Pearl-Display zu testen.

Technische Daten

	PocketBook Touch 622
Display:	6″ E-Ink Pearl, 166 dpi, 600×800 px, 16 Graustufen, berührungsempfindlich (kapazitiver Touchscreen)
Größe:	175 х 114,5 х 9,5 mm
Gewicht:	195 Gramm
Prozessor:	800 MHz
Interner Speicher:	2 GB
Ram:	128 MB
Wlan:	ja, b/g/n
Bluetooth:	nein
Anschlüsse:	MicroUSB, 3,5 mm Audioausgang
Erweiterungskarten:	MicroSD
Beschleunigungssensor:	nein
Integrierte Lautsprecher:	nein
Akku:	Li-Polymer (1100 mAh), 8.000 Seiten
OS:	Linux 2.6
Formate E-Books:	epub, pdf, fb2(.zip), txt, djvu, rtf, html, chm, doc(x), tcr, pcr
Bildformate:	jpg, bmp, png, tif
Audioformate:	mp3
Unterstützte Sprachen:	Deutsch, Bulgarisch, Weißrussisch, Tschechisch, Estnisch, Englisch, Spanisch, Finnisch, Französisch, Hebräisch, Italienisch, Kasachisch, Lettisch, Litauisch, Niederländisch, Portugiesisch, Polnisch, Rumänisch, Russisch, Slowenisch, Ukrainisch und weitere
verfügbare Farben:	Schwarz, Schwarz-Weiß
Lieferumfang:	Pocketbook Touch 622, Micro-USB-Kabel, Quick Start Guide, Garantischein
Besonderheiten:	anwenderspezifische Tastenbelegung, Benutzerprofile, Screenshots, Kalender, Notizbuch, Webbrowser, Audioplayer, Text2Speech, Scribble (Zeichenprogramm), handschriftliche Notizen, Spiele, Textsuche, Wörterbücher, Synchronisierung mit Obreey-Store
Preis:	159 Euro (UVP)

Testablauf

Ich habe den PB 622 knapp zwei Wochen getestet und in dieser Zeit auf der heimischen Couch, in öffentlichen Verkehrsmitteln oder während einer Plasmaspende knapp 1.000 Seiten gelesen. Die zu lesenden Dokumente umfassten Fachbücher, Romane und wissenschaftliche Dokumente, die allesamt Texte enthielten. Was ich nicht getestet habe, waren Bilderbücher oder Bücher, die aus gescannten Seiten bestanden. Bilder sind auf einem Gerät mit 16 Graustufen oft alles andere als toll und gescannte Bücher finde ich groß, langsam, schlecht durchsuchbar etc. Was während dieses Tests ebenfalls hinten runterfiel, war die Vorlesefunktion. Es funktioniert, aber selbst lesen gefällt mir eindeutig besser.

Der Test fand schon vor einigen Wochen statt, aber ich kam erst jetzt dazu, meine Notizen in einen Text zu pressen. Es kann durchaus sein, dass PocketBook den ein oder anderen Kritikpunkt bereits mit einem Firmwareupgrade zur Strecke gebracht hat, denn diesbezüglich sind die Jungs meines Erachtes nach wirklich auf Draht.

Lieferumfang und Verarbeitung

Der PocketBook Touch 622 teilt sich seine Verpackung mit einem USB-Kabel, einer Bedienungsanleitung und einer Garantiekarte. Eine zusätzliches Cover oder eine Hülle habe ich mir vor allem unterwegs gewünscht. Im Gedränge auf Bahnhöfen oder wenn ich den E-Book-Reader in einer viel zu vollen Tasche verstaute, habe ich schon ab und zu um das Display gebangt.

Das Lesegerät ist komplett in ein Plastikgehäuse gewandet, dass eine angenehme Oberfläche hat und einen sehr gut verarbeiteten Eindruck macht. Nichts knirscht und knarzt und es gibt keine auffälligen Spalten. Der Akku ist fest in das Gehäuse integriert, so dass LeserInnnen ihn nicht ohne weiteres wechseln können.

Der E-Book-Reader wird auf der Unterseite eingeschaltet. Dort befinden sich auch der Slot für die MicroSD-Karten, der Kopfhörer- und Micro-USB-Anschluss und der im Gehäuseinneren versenkte Reset-Taster. Die Vorderseite des Geräts weist vier große Tasten auf, mit denen LeserInnen duch Bücher blättern, ein Kontext-Menu öffnen oder ohne lange zu fackeln in Hauptmenü springen können. Auch eine Diode, die bei Aktivität oder bestehender WLAN-Verbindung leuchtet, wurde auf der Vorderseite untergebracht.

Benutzung

Nach dem ersten Einschalten dürfen sich LeserInnen für eine favorisierte Sprache entscheiden und Nutzungsbedingungen zustimmen. Sobald das geschehen ist, landen sie im Hauptmenu, dass sich deutlich von dem voriger Modelle unterscheidet. Anstelle der Widgets setzt PocketBook nun auf eine Liste mit aktuellen Ereignissen (neu hinzugekommene Bücher, zuletzt gelesene Bücher etc.) und eine Anwendungsleiste. Über letztere gelangen NutzerInnen in die Bibliothek, den Anwendungsordner, das Konfigurationsmenü, das Notiz- bzw. Wörterbuch, den Audioplayer oder die Suchfunktion. Unter der Anwendungsleiste befndet sich noch eine Taskleiste, in der die Uhrzeit, der WiFi-Status, eingehende Meldungen, Audioplayer-Aktivitäten oder die momentan geöffneten Bücher aufgelistet sind.

Es macht sich sofort bemerkbar, dass der PB 622 mit einem leistungsfähigen Prozessor ausgestattet ist. Alle Aktionen werden prompt ausgeführt, Bücher schnell geladen und Seiten fix umgeschlagen. Über den kapazitiven Touchscreen lässt sich nichts Schlechtes sagen. Mir sind während des gesamten Testzeitraums keine lästigen Spiegelungen aufgefallen.

Der PocketBook Touch 622 lässt sich intuitiv bedienen. Alle Funktionen sind verständlich bezeichnet und ohne viel Suchen zugänglich. Als besonders Merkmal empfinde ich die frei belegbaren Tastenfunktionen, die beim PB 622 global und abhängig von den E-Book-Formaten (etwa epub und pdf) definiert werden können.

Ich war überrascht, dass PocketBook die in drahtlosen Heimnetzwerken beliebten WPA-Keys nun verschlüsselt speichert. Der virtuellen Tastatur zum Trotz ist es kein Vergnügen, einen aus 63 Zufallszeichen bestehenden Key fehlerfrei einzugeben. Früher konnte ich den WPA-Key direkt in die /system/config/network.cfg kopieren und mir das wilde Tippen und Fehlersuchen sparen. Diesmal ging die bewährte Strategie nicht auf, weil der E-Book-Reader nun auf in Klartext gespeicherte Keys verzichtet.

Die Bibliothek

PocketBooks neuer E-Book-Reader verfügt wie auch die Vorgänger über eine leistungsfähige Bibliothek, über die LeserInnen auf ihren elektronischen Bücherbestand zugreifen können. Um schnell das gewünschte Werk zu finden, sind zahlreiche Filter-, Sortier- und Gruppierungsmöglichkeiten verfügbar. Anwender können entscheiden, ob sie nur Bücher auf dem Gerät, der MicroSD-Karte oder von beiden Speichern anzeigen. Ferner dürfen sie wählen, ob alle oder nur aktuell gelesene bzw. favorisierte Bücher aufgelistet werden.

Bei den Sortierkriterien stehen Dateinamen, Buchtitel, Erstellungsdatum oder Datum der letzten Öffnung zur Wahl und bei den Gruppierungen lassen sich auf dem PB 622 nach Ordnern, AutorInnen, Genre, Format, Erstellungsdatum oder Serie vornehmen. Um die Sortier- und Grupierungsfunktionen zu nutzen, müssen E-Books die dafür nötigen Meta-Daten enthalten.

Neben den genannten Kriterien dürfen LeserInnen auch festlegen, wie viele Details sie in ihren virtuellen Bücherregalen wünschen. Zur Auswahl stehen hier die aus Dateiformat, Buchtitel, Speicherort (Gerät oder SD-Karte) und Lesestatus (gelesen, teilweise gelesen, Favorit) bestehende einfache Ansicht, eine um zusätzliche Informationen (Größe, AutorIn) angereicherte detaillierte Ansicht oder eine Ansicht mit Vorschaubildern zur Auswahl.

Lesen

Wurde ein Buch aus der Bibliothek ausgewählt, lässt es sich mit einem Touch öffnen. Wurde in einem Buch bereits gelesen, können Anwender an der Stelle fortfahren, an der sie ihr Buch »zugeschlagen« haben. Der Pocketbook Touch 622 erlaubt es, mehrere Bücher und Anwendungen parallel geöffnet zu haben, so dass LeserInnen mit Hilfe der Taskliste schnell zwischen mehreren Titeln wechseln können.

Der PocketBook Touch 622 bietet mehrere Möglichkeiten, eine Seite umzuschlagen. Dazu zählen die Tasten zum Umblättern und das Touchdisplay. Wer letzteres favorisiert, kann den E-Book-Reader entweder zum Vor- und Zurückblättern bewegen, indem über das Display gewischt oder bestimmte Bereiche des Bildschirms angetippt werden. Werden die unteren Bereiche des linken bzw. rechten Displayrands berührt, lassen sich Seiten zurückblättern, ein wenig höher wird vorgeblättert. Ein Tipp in die Displaymitte öffnet das Kontextmenü, die linke obere Ecke bringt Anwender ins Hauptmenü, ein Tipp in die linke obere Ecke verhilft zu einem Lesezeichen.

Wird die Taskleiste am unteren Rand berührt, werden die Uhrzeit (die könnte ruhig immer zu sehen sein) und ein zusätzliches Icon eingeblendet, das einen schnellen Wechsel zu anderen geöffneten Büchern oder Anwendungen erlaubt. Die Schriftgröße wird verändert, indem zwei Finger gleichzeitig aufeinander zu bzw. voneinander weg bewegt werden. Liegt das E-Book im PDF-Format vor, kann es durch Wischbewegungen auf und ab bzw. zur Seite gescrollt werden.

Das funktioniert alles super, wenn beide Hände zum Lesen verfügbar sind. Mit nur einer Hand wird das schon schwieriger, etwa, wenn in einem Arm eine fette Kanüle steckt, eine Hand ein Butterbrot hält oder sich in schwankenden Verkehrsmittel an Festhaltegriffe klammert. Es gibt keine einfache Möglichkeit, eine PDF-Seite einfach zu schieben. Hier und bei der Navigation durch Menüs habe ich den Wippschalter der anderen Modelle schmerzlich vermisst. Zumal ich auch den Inhalt bis an den Rand vergrößert hatte und es mir oft nicht gelang, den Text akkurat senkrecht zu verschieben. Was mir im Zusammenhang mit PDF-Dokumenten ebenfalls fehlte, was die kleine Übersichtsskizze, welcher Bereich einer Seite gerade auf dem Display angezeigt wurde.

Eine Suchfunktion erlaubt es, Texte schnell nach Stichwörtern zu durchkämmen. Die Suchbegriffe lassen sich dank virtueller Tastatur und Touchscreen schnell eingeben.

Lesezeichen, Notizen, Wörterbücher

Besonders angenehm fand ich, dass sich für jedes Buch viele Lesezeichen anlegen lassen und die Notizfunktion. Letztere erlaubt es, entweder ganze Bereiche zu markieren und als Bild abzuspeichern oder handschriftliche Bemerkungen direkt ins Buch zu schreiben. Hier fehlt in meinen Augen ein Stylus, denn mir wollte es einfach nicht gelingen, mit meinen Griffeln kleine leserliche Anmerkungen zu machen. Sowohl Lesezeichen als auch Notizen werden vom PB Touch 622 im Inhaltsverzeichnis eines Buches aufgelistet.

Bei fremdsprachigen Büchern kann sich das integrierte Wörterbuch als hilfreich erweisen, dass sich aus den Büchern heraus aufrufen lässt. Entweder werden die zu übersetzenden Wörter direkt im Text angetippt oder mit Hilfe der virtuellen Tastatur eingegeben. Die bereits installierten Wörterbücher reichen in den meisten Fällen völlig aus. Werden fachspezifische Wörterbücher benötigt, können sie käuflich erworben werden.

Anwendungen

Neben dem Lesen bietet der PB 622 zahlreiche Anwendungen, die wenig mit dem Konsumieren von Büchern zu tun haben. Dazu zählen unter anderem ein Webbrowser, der RSS-Feed-Reader PocketNews, ein wissenschaftlicher Taschenrechner, eine Uhr, ein Bildbetrachter, eine Synchronisiermöglichkeit mit den Obreey-Store und mehrere Spiele, etwa Klondike und Sudoku. Mit der Anwendung Scribble ist auch ein Zeichenprogramm auf dem E-Book-Reader installiert, mit dem dem AnwenderInnen kleine Skizzen erstellen können.

Firmware-Upgrade

PocketBook ist permanent bemüht, die Firmware seiner aktuell im Handel angebotenen Geräte zu verbessern. Die Updates mit Fehlerkorrekturen und neuen Features werden im Internet zum Download angeboten und können sehr leicht installiert werden. Im Falle eines automatischen Updates kann der PocketBook Touch 622 im internen Speicher, auf der MicroSD-Karte oder im Internet nach einem neuen Firmware-Image suchen und die Aktualisierung anstoßen. Entscheiden sich AnwenderInnen für ein manuelles Update, müssen sie die Firmware selbst herunterladen, entpacken und auf das Gerät laden (interner oder externer Speicher). Das Update wird anschließend eingeleitet, wenn während des Einschaltens beide Tasten zum Seiten Blättern gedrückt gehalten werden.

Gemecker

Kein Test ohne Gemecker, auch wenn es beim PocketBook Touch 622 nicht viel zu meckern gibt. Neben den schon erwähnten Punkten des fehlenden Wipptasters und Stylus und den damit verbundenen Schwierigkeiten beim einhändigen gleichzeitigen Geräthalten und Wischen, durch Menüs navigieren und Notizen mit dem Finger schreiben, gibt es noch einige kleine Punkte, die mich stören. Dazu zählen die halbtransparenten Untermenüs im Einstellungsdialog und dass die virtuelle Tastatur nach Eingabe eines Großbuchstabens nicht automatisch in die Kleinschreibung zurückwechselt. Die Bedienungsanleitung wurde wahrscheinlich teilweise von anderen Geräten übernommen, denn in ihr war noch von Vizplex-Display die Rede. Bei den technischen Daten waren Angaben (Abmessungen und Gewicht) vertauscht und ich wünsche mir ein »ß« anstelle des »fs«. Der E-Book-Reader ist toll, aber die Bedienungsanleitung gehört zu den ersten Dingen die gelesen werden und kann den positiven Ersteindruck etwas trüben.

Fazit

Der PB 622 ist ein sehr gut verarbeitetes Gerät, mit dem das Lesen viel Freude macht. Es ist klein und leicht genug, um überall hin mitgenommen zu werden. Reisewütigen LeserInnen sei an dieser Stelle eine Schutzhülle nahegelegt. Der E-Book-Reader ist schnell, intuitiv bedienbar, unterstützt fast alle gängigen E-Book-Formate und bietet Zusatzfunktionen wie frei definierbare Tasten, Notizen, Wörterbuch, Browser, Screenshots und Spielerchen, die den im Vergleich mit anderen Herstellern höheren Preis durchaus rechtfertigen.

Obwohl ich kein Freund von Touch-Displays bin, muss ich sagen, dass sich der PB 622 gut begrabbeln ließ. Ich hatte absichtlich darauf verzichtet, das Display zu putzen und musste feststellen, dass es nicht so schmuddlig ausschaute, wie ich anfangs erwartet hatte. Das Lesen gestaltete sich auch über mehrere Stunden hinweg als angenehm. Während des gesamten Tests funktionierte der PB tadellos, blieb nie hängen und machte keinen Reset erforderlich. Zusammenfassend würde ich sagen, ein fast rundum gelungener E-Book-Reader, der fast keine Wünsche offen lässt.